Die Piraten kommen. 

   

Interview zur Sportpolitik


mit Lukas Lamla MdL, NRW


Herr Lamla, die Piraten sind jetzt in NRW seit einigen Monaten in Amt und Würden, haben Sie sich gut eingelebt?

Ja, wir haben uns sehr gut eingelebt. Natürlich war die erste Zeit sehr aufregend – alles war neu, man musste sich erst zurecht finden. Aber wie in jedem normalen Betrieb läuft es zu vielen Themen sehr gut – und an den anderen Stellen, an denen es Nachbesserungsbedarf gibt, sind wir dran. Wir stellen die Abläufe in unserer Fraktionsarbeit so oft wie möglich auf den Prüfstand, um vertrauter mit den politischen Prozessen und damit immer besser zu werden. 


Ist die vorgefundene Landespolitik wie erwartet oder gab es
Überraschungen, Enttäuschungen?

Wenn man so von Null auf Hundert in den politischen Alltag startet, dann begegnet einem beides. Wir waren positiv überrascht, auf wie viel Hilfsbereitschaft wir auf Seiten der Landtagsverwaltung und Landtags-IT gestoßen sind. Zu keiner Minute hat man uns hier hängen lassen. Auch die interfraktionelle Arbeit im Landtag gestaltet sich positiv. Wir sind von den anderen Fraktionen fair und neugierig, aber auch mit einer gesunden Skepsis empfangen worden. 

Eher enttäuscht sind wir manchmal von den sehr festgefahrenen Abläufen im Landtag. So können wir nicht immer für uns selbstverständliche Dinge wie zum Beispiel ein Streaming aller Sitzungen realisieren oder gewisse Softwares installieren, die wir als notwendig erachten. Für uns hat
oberste Priorität, dem Bürger zu ermöglichen, sämtliche Prozesse und thematische Diskussionen hier im Landtag live mitzuerleben.


Sie haben in kurzer Zeit eine umfangreiche Infrastruktur aufbauen müssen, war das eine große Herausforderung?

Und ob! Zum Start war es eine von vielen Herausforderungen, leere Räume mit Leben zu füllen. Das fing beim Computer an und ging über den Schreibtischstuhl bis hin zum Mitarbeiter, der darauf sitzt. Gleichzeitig sind wir aber auch schon politisch aktiv geworden und haben in kürzester Zeit dutzende Kleine Anfragen geschrieben, zu Themen, die uns besonders am Herzen liegen. Wir haben innerhalb von drei Monaten eine komplett neue Fraktion mit insgesamt 70 Mitarbeitern aus dem Boden gestampft. Das ist vergleichbar mit dem Aufbau eines mittelständischen Unternehmens, welches aus dem Stand heraus perfekt funktionieren muss.


Die Piraten sind eine politische Strömung, die sich nicht nur auf Netzaktivisten reduzieren lässt, dennoch haftet der Ruf und das Bild des "Nerds" an ihnen. Treiben "Nerds" Sport? Sollten Sie es tun? 

Die Piratenpartei hat sich mit aus dem Netz heraus entwickelt, mittlerweile haben wir aber Mitglieder der unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten und der unterschiedlichsten Charaktere. Ein Nerd ist jemand, der sich für ein spezielles Thema sehr begeistert. Es gibt zum Beispiel auch Sportnerds!

Die Organisationsquote im Sport in NRW bewegt sich zwischen 20 und 30 Prozent. Damit ist NRW deutschlandweit auf einem guten Weg. Dennoch bleibt festzuhalten, dass ca. 40 Prozent der Männer und Frauen in Deutschland zu den sogenannten Nicht-Bewegern zählen. Das Risiko zu dieser Gruppe zu gehören steigt zum Beispiel für Kinder aus sozial schwächeren Familien laut einer Studie (KiGGS) des RKI deutlich. Konzepte zu entwickeln, wie die Zielgruppe der Nicht-Beweger vermehrt angesprochen werden kann, sehen wir als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.


Denken Sie, dass die immer mal wieder in Talkshows zirkulierende These von den nur vor dem Bildschirm sitzenden Kindern, denen - und deren Eltern - Bewegung und richtige Ernährung unwichtig sind, in der Realität Bestand hat?

Ein einseitiges Freizeit- und Sportangebot kann die Ursache für das Rumsitzen vor dem Bildschirm sein. Um den natürlichen Bewegungsdrang von Kindern und Jugendlichen zu fördern, werden ansprechende Angebote (Parcour, Waveboarden, Klettern, etc.) benötigt. Das Internet kann einen Beitrag dazu leisten, Sportbegeisterung für neue Sportarten zu wecken (z.B. Youtube) und Kinder zu motivieren, diese Dinge auch auszuprobieren.

Kinder und Jugendliche, die sich regelmäßig bewegen, sind seltener von Krankheiten und körperlichen Beschwerden betroffen. Gezielte Förderung von körperlicher Aktivität im Alltag wirkt sich positiv auf den Umgang mit seinen Mitmenschen aus und auf eine insgesamt gesündere Lebensweise. Unter anderem an diesen Grundsätzen richten wir unsere Sportpolitik aus.


Gibt es hier politischen Handlungsbedarf?

Ja, wir sehen insbesondere bei der Breitensportförderung Handlungsbedarf. Darüber hinaus wollen wir bei kommunalen Sportämtern ansetzen, die ausschließlich verwalten anstatt zu gestalten.


NRW gilt als Sporthochburg, sowohl im Profisport, als auch im Amateur- und Breitensport. So fällt auch die Olympiabilanz von NRW beachtlich aus. Was kann, was soll und was muss Landespolitik tun, um Sport und Sportbegeisterung zu fördern?

Wir möchten Sport und Sportbegeisterung nicht nur im Hinblick auf Leistungssport und Medaillenregen wecken, sondern viele Bevölkerungsgruppen, die bisher nicht aktiv waren, dazu animieren, sich in ihren Alltag mehr zu bewegen. Die körperliche Aktivierung von Nicht-Bewegern ist nur mithilfe von neuen Konzepten möglich. Bestehende Angebote aus dem Sport- und Gesundheitsbereich erreichen sportlich inaktive Bevölkerungsgruppen kaum. Daher sind neue Ansätze in der Ansprache der Zielgruppen auch mit Hilfe des Internet notwendig.

In einigen Städten NRWs siechen Turnhallen und Sportplätze dahin - für Bürgschaften für existenzgefährdete Profi-Fußballvereine oder den Bau neuer Stadien aber scheint Geld da. Ein Problem? Oder hat der Profi-Sport doch eine volkswirtschaftliche oder gesellschaftliche Berechtigung?

Profifußballvereine sind wichtig. Sie ermöglichen wirtschaftlichen Erfolg und  sind Motor für regionale Identifikation. Die Förderung und Unterstützung von Profifußball darf aber nicht dazu führen, dass Sportstätten verfallen. Das Eine zu tun, heißt nicht das Andere zu lassen. Deswegen setzen wir uns dafür ein, den Breitensport in NRW weiter zu fördern.



Im Profisport werden enorme Umsätze mit dem Verkauf und der Vermarktung von Medienrechten erwirtschaftet. Das hat auch zur Folge, dass Teile des Sports nicht mehr frei verfügbar sind - ein Problem?

Ein exklusives Vermarktungsrecht von Sportveranstaltungen für private Medienunternehmen ist zu überdenken, besonders wenn dieser Sport bzw. die Vereine ihre finanziellen Mittel teils aus Steuergeldern, sprich von der Allgemeinheit erhalten. Inhalte die von der Allgemeinheit finanziert wurden, sollten entsprechend auch allen frei zugänglich sein.